Ich hege eine leichte Abneigung gegen die Deutsche Bahn, da ich vor ein paar Jahren regelmäßig von Mainz nach Berlin gependelt bin und dabei einiges erlebt habe: Zum Beispiel Freitag Abend in Fulda ausgesetzt werden, weil der Zug kaputt ist und dann erst mal dort am Bahnhof Panik schieben, weil das der letzte Zug nach Berlin war und es hieß, man könne ja auch nichts machen. Oder acht Stunden bei sommerlicher Hitze in einem komplett überfüllten ICE am Boden sitzen, bei dem die Klimaanlage ausgefallen ist und jeden Stopp herbeisehnen, da dann Luft durch die offenen Türen hereinkommt. Also mein Bedarf an Abenteuern durch die Deutsche Bahn ist ausreichend gedeckt – bei den hohen Preisen erwarte ich einfach einen besseren Service.
Aus diesem Grund tendiere ich zur Mitfahrgelegenheit. Zwar habe ich da auch schon viele komische Sachen erlebt, aber zumindest ist es günstiger und was die Strecke München – Berlin betrifft, auch schneller. So dachte ich zumindest. Nach einer Stunde unumgänglicher Zugfahrt vom Chiemsee aus stieg ich am Gründonnerstag Abend bei einem Fahrer an einem Park&Ride-Platz in München ein. Nach fünf Minuten Fahrt kamen wir gleich in einen Stau bei Eching-Neufahrn, aber das ist an dieser Stelle nichts ungewöhnliches. Ich fand heraus, dass die eine der zwei anderen Mitfahrerinnen Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin studiert und aus Jüterbog (das ist eine weitere Stadt in Brandenburg, die man unbedingt gesehen haben muss) stammt. Also unterhielten wir uns erst mal richtig gut.
Der Fahrer machte schon nach einer halben Stunde eine Pause an einem Parkplatz, recht früh meiner Meinung nach, aber nun gut. Als er dann zwanzig Minuten später, nachdem wir aus dem Stau endlich raus waren, wieder auf einen Parkplatz zusteuerte, gab es von mir schon ein Stirnrunzeln und ich überlegte, ob er wohl jetzt jede zehn Minuten zum Rauchen anhalten wolle. Allerdings öffnete er die Motorhaube und fummelte mindestens 15 Minuten am Motor rum. Alles im Schneeregen. Auf meine Nachfrage, was denn los sei, kam die Hiobsbotschaft, dass er glaube, der Motor sei kaputt (die genaue Diagnose habe ich wieder vergessen). Er eröffnete uns, dass er den ADAC anrufen und wir dann wahrscheinlich nach München abgeschleppt werden würden. Was für mich nicht so optimal war: Ich hatte ja meine Verwandten am Chiemsee besucht und daher keine Ahnung, ob von meinen Freunden überhaupt jemand in München war oder ob die nicht alle schon über die Osterfeiertage weggefahren waren.
Aber es hieß sowieso erst mal auf den ADAC warten, was der überhaupt sagen würde. Vorher wollte ich, auch wegen des Handyakkus, keine unnötige Rundrufaktion starten. Der ADAC stellte nach ungefähr zwei Minuten nicht wirklich genauer Prüfung fest, dass das Auto kaputt war und wir von Abschleppwagen 1, der erst gerufen werden musste, zur nächsten ADAC-Werkstatt abgeschleppt werden müssten, wo dann das kaputte Auto auf Abschleppwagen 2 umgeladen werden sollte. Also wieder warten. Es war glücklicherweise nicht mehr so viel los auf der Autobahn, weil es mittlerweile schon 22 Uhr war.
Abschleppwagen 1 kam relativ schnell und wir wurden zu einer dunklen Werkstatt inklusive LKW-Parkplatz gefahren. Da stellte sich heraus, dass unser toller Fahrer dort schon zum vierten Mal gestrandet war, da sein Ford Mondeo schon 580.000 Kilometer auf dem Buckel hatte, er die Kiste offensichtlich nicht richtig warten ließ, sondern seine ADAC-Mitgliedsbeiträge wohl eher durch Abschleppenlassen wieder hereinholen wollte. Ich war natürlich auf 180 und beschloss, diesem Verrückten keinen Cent für diese „Fahrt“ zu zahlen, da er von sich aus auch nie Informationen an uns weitergegeben hatte, sondern ich immer im Schneeregen rumstapfen und nach Neuigkeiten hatte fragen müssen.
Uns wurde dann mitgeteilt, dass Abschleppwagen 2 das Auto nach Beeskow bringen würde, denn da wohne der Besitzer des Wagens. Da ich auch nicht wusste, wo Beeskow nun wieder liegt: 85 Kilometer östlich von Berlin. Darauf folgten große Telefonkonferenzen mit „Berlin“, wie wir denn irgendwo in Brandenburg abgeholt werden könnten. Ich hatte schon Horrorszenarien im Kopf, nachts in irgendeinem Kaff im Schneeregen zu stehen und nicht zu wissen, wie ich von dort nach Hause kam.
Der Fahrer, der Abschleppwagen 2 steuern sollte, ließ sich aber richtig Zeit und so brauchte ich mir zumindest keine Sorgen mehr zu machen, nachts irgendwo rumzustehen…vielmehr wurde uns langsam klar, dass wir vor dem Morgen gar nicht mehr in Berlin ankommen würden, da so ein Abschleppwagen auch nicht schneller als 100 Kilometer fahren kann. Kurz vor Mitternacht starteten wir endlich und überredeten den Abschleppmenschen, uns irgendwo am Rande Berlins rauszulassen. Geeinigt wurde sich auf einen McDonalds-Parkplatz in Königs-Wusterhausen, von dem wir aber auch erst wegkommen mussten. Da mein Auto in Neukölln stand, weil Kumpel 2 es dort gerade zum TÜV gefahren hatte, war an ein unkompliziertes Abholen durch Kumpel 1 von Charlottenburg aus nicht zu denken. Glücklicherweise hatte der Freund der einen Mitfahrerin schon nachts einen Mietwagen organisiert und holte uns dort am Parkplatz in KW (ich werde noch ’ne richtige Brandenburgerin, ich kenne jetzt schon die Codeworte) ab. Mittlerweile hatte es, um die Dramatik zu unterstreichen, richtig heftig zu schneien begonnen. Vom Südkreuz, wo wir abgeladen wurden, war ich noch einmal 40 Minuten bis zu mir nach Hause unterwegs. Um sieben Uhr morgens kam ich am Karfreitag nach 12 Stunden Fahrt also zuhause in Berlin an, aber Hauptsache ich bin nicht mit der Deutschen Bahn gefahren!
Via Dolorosa…
Das stimmt! 😉
Lustig zu lesen, deine Geschichten 🙂