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Kunsthistorische Irrfahrten

Ich mag Kunsthistoriker ja sehr gern, aber manchmal würde ich mir schon wünschen, dass sie, naja, ein bisschen praktischer wären. Obwohl, vielleicht gehöre ich nach dieser Geschichte auch zu den „Verplanten“: Letzten Freitag sollten wir mit unserem Seminar „Jenseits der Metropole Berlin. Jenseits des Kanons. Mittelalterliche Kunst und Architektur in der Mark Brandenburg“ zu einer zweitägigen Exkursion starten: Erst wollten wir uns in Bad Wilsnack eine Wallfahrtskirche ansehen, von dort weiter nach Stendal fahren, um weitere Kirchen zu besichtigen, dann in einem Kloster übernachten und schließlich zum Rathaus in Tangermünde fahren.

Um nach Bad Wilsnack zu kommen, brauchten wir ein Brandenburg-Ticket in Verbindung mit zehn Minuten Schwarzfahrens, weil das Ding erst ab neun Uhr gilt. Zur Weiterfahrt nach Stendal dann ein Sachsen-Anhalt-Ticket, weil die Mark Brandenburg und die heutigen Bundesländer zwei verschiedene Sachen sind. Da wir letzte Woche aber schon in Perleberg waren und wir trotz unserer Studententickets 27,40 Euro (!) für die Hin- und Rückfahrt zahlen mussten, hatte ich keine Lust mehr, der Bahn noch einen einzigen Cent in den unverschämten Arsch zu blasen.
Bahnhof in Bad Wilsnack Außerdem hieß es, dass wir für die Übernachtung Bettwäsche mitnehmen sollen und wir das komplette Gepäck die zwei Tage mitschleppen müssen. Da Kloster meiner Erfahrung nach richtig kalt sind, bedeutete das, sehr viel tragen zu müssen und ich entschloss mich, lieber mit dem Auto zu fahren. Das fanden die anderen Studenten auch praktisch, weil sie dann ihre Sachen darin zwischenparken konnten. Guter Plan, trotzdem gescheitert. In Bad Wilsnack traf ich die anderen an der Wallfahrtskirche, ein Riesenkasten, der in dem kleinen Ort wirklich nicht zu übersehen ist. Drei Stunden standen wir bei zwei Grad Celsius in dieser Kirche und hörten endlose Referate – leider soll in Kunstgeschichte alles von den anderen Studenten erst mal erarbeitet werden – also eher nach dem Motto „heiteres Rätselraten“…gut, so inkompetent sind die meisten nicht und vielleicht lernt man so wirklich mehr, aber bei diesen Temperaturen würde ich mir wirklich kürzere Vorträge wünschen.
Wunderblutkirche Bad Wilsnack Die Zeit wurde – wie immer – knapp und alle mussten plötzlich relativ schnell zum Zug. Leider konnte mir die Dozentin nicht sagen, zu welcher Kirche sie in Stendal als erstes wollten, weil sie sich erst noch mit dem zweiten Dozenten, der nicht nach Bad Wilsnack mitgekommen war, telefonisch absprechen musste. Ich dachte, ich hätte in irgendeiner E-Mail ihre Handynummer beziehungsweise sagte sie auch, dass sie um 15 Uhr in Stendal ankommen würden. Ich also gemütlich im warmen Auto (ha, Deutsche Bahn, eat this!) nach Stendal gefahren und am Bahnhof auf den Zug gewartet, aus dem allerdings keiner meiner Kommilitonen stieg. In und um den Bahnhof herum auch niemand.

Also fuhr ich zur Jacobikirche, weil sie als mögliches erstes Ziel genannt worden war. Dort war niemand und wie es Kirchen in der Region so an sich haben, war sie natürlich verschlossen (da könnten sie sich wirklich mal an Beispiel an Bayern nehmen – da sind Kirchen offen!). Ich glaube, in dem Moment hat mich zum ersten Mal etwas Panik erfasst, da ich nicht wusste, was ich nun tun sollte: Ich hatte das Gepäck der anderen Studenten in meinem Auto, aber keinen Schimmer, wann sie bei welcher Kirche antraben würden und bei den gefühlten 15.000 in Stendal war die Wahrscheinlichkeit auch nicht groß, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Kirche zu sein. Ich entschied mich für den Dom, weil sie dort früher oder später aufkreuzen mussten, was alles gar nicht so einfach war, da man überall Kirchtürme sah und in der Größe kein zwingender Unterschied zu den normalen Kirchen ersichtlich war. Allerdings lotsten mich ein paar nette Stendaler in der Fußgängerzone dorthin. Der Dom war natürlich auch verschlossen und weit und breit kein Mensch zu sehen. Ach so, übrigens: Ich hatte alle meine E-Mails bis Anfang Februar zurück nach der Handynummer meiner Dozentin durchsucht, aber nichts… gut, vielleicht hätte ich die Nummer vorher aufschreiben sollen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie mir eine Stunde vorher nicht sagen können würde, wo sie als nächstes hinfahren.

Natürlich hatten wir im Vorfeld auch nicht die Adresse unseres Übernachtungsklosters bekommen, deshalb hatte ich auch keine Ahnung, wo das nun wieder war. Lediglich der Name „St. Annen-Kloster“ war gefallen und ich suchte mir die Telefonnummer der Touristeninformation heraus, die gottseidank wussten, wo das Kloster ist. Dort konnte ich dann wenigstens die Rucksäcke problemlos abliefern. Ich entschloss mich dann, nach Berlin zurückzufahren, weil ich die anderen vor dem Abend sowieso nicht mehr finden würde und es schon relativ spät war. Ich war aber auch nicht total traurig, da ich nicht wirklich Lust auf weiteres  Frieren hatte…übrigens war eine Studentin bereits von der ersten Station, Bad Wilsnack, zurück nach Hause gefahren – ich war also nicht die erste, die aufgab! Für ein solch extremes Survivaltraining bin ich definitiv ein zu großes Weichei. Allerdings weiß ich jetzt, dass man Stendal unbedingt besuchen sollte, da das ein sehr schöner Ort mit alten Häusern, Gassen und Kirchen ist.

Auf der Rückfahrt legte ich aber doch noch einen Zwischenstopp in Tangermünde ein: Das Rathaus ist viel kleiner, als es auf den Fotos gewirkt hatte, die wir im Grundkurs Architektur letztes Jahr gesehen hatten; aber auch dieser Ort unbedingt empfehlenswert, wenn man ein Faible für mittelalterliche Städte hat.Rathaus TangermündeFährt man von dort weiter Richtung Berlin, kommt man außerdem noch an Kloster Jerichow vorbei, welches ein weiteres Muss für Kunsthistoriker ist – ich glaube, ich könnte Wochen in der Region verbringen und das werde ich bei angenehmeren Temperaturen dann im Sommer auch tun…

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