Durch MoabitOnline bin ich auf diesen Beitrag des SFB von 1964 über die Turmstraße gestoßen und war ziemlich verblüfft: Die Straße und damit der ganze Ortsteil waren ja so viel mehr als eine Ansammlung von 1-Euro-Läden, Selbstbedienungsbackshops und Dönerbuden. Was ist bloß geschehen?
Aber erst mal ein paar Beispiele: Zum einen sind da die Moabiter Kinos, die ab den 1960ern verschwanden. Heute existiert kein einziges „richtiges“ Kino mehr, nur in der Kulturfabrik Moabit werden Filme gezeigt. Worüber ich zufällig gestolpert bin: In einer der häßlichsten Discounterfilialen, die ich jemals sah, gab es früher ein Kino! Fotos und eine kurze Beschreibung gibt es hier.
Etwas ganz besonderes war das Hansatheater, in dem viele Stars wie zum Beispiel Marlene Dietrich und Heinz Erhardt auftraten. Heute wird es von einem Trödler benutzt, der dort Möbel unterstellt. Verschiedene Pläne, das Theater aus dem Jahr 1888 wieder zu beleben, scheiterten. Letztes Jahr gab es Gerüchte, das Gebäude werde abgerissen, um Luxuswohnungen oder teure Studentenwohnungen zu bauen – bis heute ist das zum Glück nicht passiert. Allerdings weiß niemand, wie lange das noch so bleibt.

Foto: Peggy März, http://perele.net/
Ein weiterer Verlust für Moabit war die Schließung des Krankenhauses im Jahr 2001. Zuvor waren sogar einige Mitarbeiter der Klinik in einen Hungerstreik getreten, um dies abzuwenden. Heute sind auf dem Gelände private Einrichtungen aus dem Gesundheitsbereich und die Abteilung Forensische Genetik des Instituts der Rechtsmedizin der Charité untergebracht.
Auch das Freibad im Poststadion wurde 2002 geschlossen. Pläne, wieder ein Schwimmbad an gleicher Stelle zu bauen, scheiterten. Gleich nebenan gibt es jetzt ein selbst ernanntes „Premium Spa“, dessen Eintrittspreise natürlich auch premium sind. Hier ein Foto aus dem Jahr 2012, bevor das Schwimmbad endgültig platt gemacht wurde.
Und was ist nun mit Moabit passiert? Ich kann es mir nur so erklären, dass die Infrastruktur langsam wegbrach, die einen Stadtteil attraktiv macht und deshalb die Menschen in andere Stadtviertel zogen, was auch der Einzelhandel zu spüren bekam. Dabei entscheidend war wohl ebenfalls die größere Attraktivität des Ku’damms und die isolierte Situation Moabits zu DDR-Zeiten (den genauen Verlauf der Mauer kann man auf dieser Karte gut nachvollziehen). Es macht traurig, wenn man sich vor Augen führt, welche Schätze hier verkommen. Vielleicht war es um Moabit aber nie so rosig bestellt, wie es in dem Fernsehbeitrag dargestellt wird, da es seit dem 19. Jahrhundert ein Arbeiterwohnviertel war, wie man an den vielen, noch erhaltenen, Industrieanlagen sehen kann.