Am 1. Mai nahmen wir einen ICE nach Berlin, der ebenfalls ziemlich voll, aber wenigstens nicht bis auf den letzten Platz besetzt war. Als erstes musste ich in meiner alten Hood in Charlottenburg und Moabit nachsehen, ob alles noch steht. Nicht nur das: im Hausflur meiner letzten Wohnung riecht es noch genauso modrig wie vor sechs Jahren und man kann davon ausgehen, dass es noch genauso feucht ist, wie ich es verlassen habe. Leider kommt diese Feuchtigkeit aus dem Keller und ich befürchte, man bekommt sie auch nie ganz weg, obwohl es versucht wurde.
Es gibt eigentlich nicht viel zu sagen: vom Hamburger Wetter war ich so verwöhnt, dass ich die Jacke weggelassen hatte und es wurde am Spreeufer abends doch etwas kühl – sah dafür aber sehr hübsch aus. Hier seht ihr einen meiner Lieblingsplätze in Charlottenburg am Heizkraftwerk.
Und der Siemenssteg ist auch ein eigenes Bild wert.
Ein schöner Tag und gelungener Auftakt für unseren Aufenthalt in Berlin, wenn auch teilweise etwas unspektakulär, aber wir trafen auch liebe Freunde, was ja der eigentliche Grund für die Reise war.
Der Intercity machte Halt in Hamburg-Harburg, wo wir lediglich über die Straße rollern mussten und im Hotel waren. Paternoster zu fahren machte wirklich Spaß und die Industriearchitektur hat mir sehr gut gefallen. Mir war gar nicht bewusst, dass es in Hamburg auch so viel davon gibt und nicht nur in Berlin.
Das Wetter war so gut, dass wir nur draußen herumliefen und den „Sommer“ genossen (ich weiß, dass das eigentlich gar nicht gut ist, weil Klimawandel, aber für den Urlaub war es super). Wir sind sogar so viel gelaufen, dass ich mir bessere Turnschuhe kaufen musste. Die sich schließlich als absoluter Glücksgriff herausstellen sollten: ich hatte noch nie Asics, werde aber wohl in Zukunft bei dieser Marke bleiben.
Egal, ob Schanzen- oder Portugiesenviertel, St. Pauli – alles war auf seine Art reizvoll, interessant und architektonisch sehenswert. Und in Deutschland werden mittlerweile überall leckere hausgemachte Limonaden angeboten, die ich überall in den Biergärten probieren konnte.
Bevor wir in Vancouver ins Flugzeug gestiegen waren, fiel uns ein Mann auf, der sich vor Hustenanfällen kaum auf dem Stuhl halten konnte und wie der lebende Tod aussah. Natürlich war er Deutscher und nicht in der Lage, eine Maske aufzusetzen. Das war schon ein bisschen die Vorhut von dem, was wir in Deutschland erleben sollten – überall hustende, niesende Menschen, aber keine einzige Maske weit und breit. Wie nennt man ein Volk, das nicht in der Lage ist, dazu lernen und sich weiter zu entwickeln?
In Frankfurt angekommen brachten wir die Koffer ins Hotel und setzen uns in die U-Bahn, um an der Nidda entlang zum ersten Biergarten in Deutschland zu laufen. Wie viel Platz es dort gab! Das ist so viel besser, als die dicht gedrängten Parkplatz-Patios in Nordamerika (obwohl ich den Eindruck habe, dass das in den USA (!) meist besser ist als in Kanada).
Am nächsten Tag fuhren wir dann mit dem Zug nach Hamburg. Es hatte am Vormittag nicht so viel Auswahl bei den Zügen gegeben, so nahmen wir einen Intercity, der bis auf den letzten Platz belegt war. Die Luft war anfangs schon richtig schlecht und erreichte den höchsten Messwert, den ich jemals gemessen hatte. Ich dachte immer, Deutschland sei ein Land von Ingenieuren oder so, aber wir ignorieren das mit dem CO2-Wert in der Luft einfach komplett. Es ist egal, ob das ein Flugzeug oder die Deutsche Bahn ist.
Das nächste Mal dann wieder ein Mietwagen. Warum sollte ich vier Stunden eine Maske tragen und in dieser miesen Luft sitzen, wenn ich auch mit einem Auto fahren kann? Den Deutschen ist die Gesundheit aller anderen Menschen egal, dann sollte mir vielleicht auch die Umwelt/Klimawandel egal sein oder was meint ihr?
Und natürlich gilt immer noch das alte Gesetz: Grundsätzlich wird das, was am meisten stinkt, in die Tupperdose eingepackt. Minute 1 nach Einstieg in den Zug ist dann die Initialzündung für das Auspacken der Fressalien und es wird non-stop gefressen, was das Zeug hält. Die Beobachtung von Loriot trifft Jahrzehnte später noch immer exakt so zu. Wie war das mit der Nation, die sich nicht weiter entwickelt?
Diesen Begriff für Flugzeuge bzw. die Massenabfertigung im Flugverkehr habe ich bei A Rivera @bloodravenlib@mas.to geklaut – passender kann man es wirklich nicht ausdrücken. Wenn es eine realistische andere Möglichkeit gäbe, von Westkanada nach Deutschland zu kommen, ich würde sie nutzen (und nein, eine 6.000 Kilometer lange Zugreise von der West- zur Ostküste Kanadas und dann noch 15 Tage Schiffahrt nach Deutschland sind keine Alternative).
Gegen den Flughafen in Vancouver ist nichts einzuwenden, da hat Lufthansa auch noch einen Schalter mit Menschen, bei denen man einchecken kann. Generell gibt man sich hier wirklich Mühe: Ein riesiges Aquarium und ein Atrium mit Frischluft innerhalb des Sicherheitsbereichs mit Pflanzen und Bäumen sind wirklich außergewöhnlich.
Beim Hinflug nach Deutschland musste ich etwas schmunzeln, da sich der Pilot bei den Fahrgästen für ihre Pünktlichkeit bedankte und wir früher (!) losfliegen konnten. So ist das, wenn Deutsche reisen, dachte ich. Ja, das hätte ich gerne. Es sollte sich herausstellen, dass das eher in meiner Vorstellung so ist: Denn in Deutschland wird gespart, wo man kann (und nicht sollte).
Der Flughafen in Frankfurt hingegen ist ein einziges Chaos mit lauter Baustellen und Zäunen. Beim Rückflug nach Kanada hatten wir am Vorabend schon den Online-Checkin erledigt, aber keine Bordpässe bekommen. Natürlich nahm ich an, dass das kein Problem am Flughafen sei. Aber da hatte ich nicht mit Lufthansa gerechnet! Dort gibt es nämlich keine normalen Abfertigungsschalter mehr, die mit Menschen besetzt sind. Wir standen ratlos vor leeren Schaltern, an denen man selbst (!) sein Gepäck aufgeben soll und vorher den Gepäckaufkleber ausdrucken und am Koffer befestigen muss. – Ähm, das Flugzeug wird aber schon noch von einem Piloten geflogen oder sollen das die Fluggäste zukünftig auch selbst machen?
Ich hatte vor ein paar Monaten Stellenanzeigen für Lufthansa-Bodenpersonal in Vancouver gesehen: Dort verdient man 17 kanadische Dollar/Stunde (momentan circa 11 Euro). Dafür, dass die Leute Deutsch und Englisch können und Schichtarbeit leisten müssen? – Selbst wenn man in Frankfurt ein bisschen mehr verdienen würde, kann die Ersparnis gar nicht so groß sein. Aber man spart halt ein, wo es geht – ob es Sinn macht oder nicht.
Beim Rückflug ging es noch weiter: Das Gate wurde noch schnell geändert, was wieder einen langen Fußmarsch (für Leute, die gehbehindert sind, muss das alles doch absoluter Horror bzw. unmöglich sein) nach sich zog. Wir flogen nun von einem Gate in einer Containerhalle ab, von dem normalerweise Condor-Flüge aus abgehen. Wir mussten auf Busse warten, die über keine Klimaanlage verfügten und tuckerten ziemlich lange über zig Rollbahnen, nur um festzustellen, dass irgendetwas im Weg stand und wir immer noch nicht ins Flugzeug einsteigen konnten. Wir hielten auf der Rollbahn an und mussten in der Sonne warten. Glücklicherweise hatten wir einen vernünftigen Busfahrer, der die Türen öffnete, um etwas Luftzirkulation bekommen. Bei den zwei Bussen hinter uns wurden die Türen nicht geöffnet. Schön, wenn man vor einem zehn-stündigen Flug bereits klatschnass verschwitzt ins Flugzeug einsteigt. Und wir sprechen hier über richtig teure Lufthansa-Flüge, da könnte man schon etwas mehr Professionalität erwarten. Generell war ich etwas entsetzt, in welchem Ausmaß man in Deutschland die Passagiere vollkommen alleine lässt und sich nicht entblödet, maximal chaotisch und unfreundlich zu sein.
Kanada hat bei den Steuern die Deadline 30. April. Da wir überhaupt nicht durchblickten und wir uns in der Zeit in Deutschland aufhalten würden, suchten wir uns einen Steuerberater. Also dachten wir. Bevor wir nach Deutschland abreisten, telefonierten und emailten wir diesem Steuerberater hinterher und wurden immer wieder vertröstet beziehungweise wechselte unser Sachbearbeiter andauernd, sodass wir nun mindestens beim dritten angelangt sind. Und natürlich passierte genau das, was wir verhindern wollten: Als wir in Deutschland waren, kam der Bescheid, dass ich Steuern hätte zahlen müssen. Großartig – zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich nun Steuerschulden, weil der Stichtag bereits vorüber war.
Und man muss nicht glauben, dass das kanadische Steuersystem weniger komplex ist als in Deutschland: Es fängt schon damit an, dass man keine Steuernummer vom Finanzamt mitgeteilt bekommt, die dann auch im Briefverkehr benutzt würde. Nein, das wäre doch viel zu einfach! Relevant ist die Sozialversicherungsnummer, die ich in Deutschland nicht dabei hatte und man kann sich nur sehr aufwändig online bei der Sozialversicherung einloggen, indem man eine App auf dem Handy verwendet (natürlich). Diese Leute, die sich immer darüber aufregen, wie wahnsinnig kompliziert und bürokratisch Deutschland doch sei – haben die schon mal in anderen Ländern gelebt oder behaupten die das einfach?
Jedenfalls hat mein Freund dann in den hinterlegten Unterlagen bei dem „Steuerberater“ irgendwo meine Sozialversicherungsnummer gefunden und konnte die Summe von Deutschland aus bezahlen. Bis jetzt musste ich wenigstens keine Strafe zahlen, zumindest weiß ich nichts davon – was jetzt auch nicht superberuhigend ist, aber gut, ich hatte die Deadline ja nur um wenige Tage überschritten, hoffen wir mal, dass da keine Unsummen entstanden sind.
Das Konzert in Hamburg wurde abgesagt, wegen dem wir eigentlich nach Deutschland fliegen (das sind Freunde aus Berlin, sonst wäre das nicht so wichtig). Gut, damit musste man rechnen, aber was machen wir jetzt eigentlich in Hamburg? Im Notfall die ganze Zeit Paternoster fahren, denn das Hotel in Hamburg-Harburg hat einen! Harburg soll das Spandau Hamburgs sein – ich bin gespannt, ich mag ja Spandau. Außerdem habe ich 38 Orte markiert, die wir in Hamburg besuchen sollen, ich glaube, das reicht für drei Tage.
In Berlin hat schon wieder einiges dicht gemacht, so das Kant Café am Walter-Benjamin-Platz und das Vaust – ein sehr gutes veganes Restaurant mit deutscher Küche – hat auch seit 31. März geschlossen. Dafür scheint es viel mehr Biergärten zu geben, das ist ein erfreulicher Trend. Ich weiß nicht, ob ich so experimentierfreudig bin, das Bier vieler kleinen Brauereien auszuprobieren, aber es ist immer gut, Auswahl zu haben.
Ansonsten freue ich mich schon auf Brezen und vielleicht bekomme ich irgendwo eine Käsestange – salziges Gebäck gibt es in Nordamerika praktisch gar nicht. Also Brezen schon, aber in sehr schwankender Qualität und von so etwas wie einer Butterbreze oder vielleicht sogar noch mit Schnittlauch garniert – davon hat hier natürlich noch nie jemand gehört (okay, das mag jetzt schon wieder bayerisch sein, aber es ist nicht alles schlecht, was von dort kommt).
Am ersten Maiwochenende gibt es dann wieder das Gallery Weekend in Berlin, ich habe schon eine sehr vielversprechende Installation im Kraftwerk Berlin erspäht (wie der Name schon andeutet ein ehemaliges Heizkraftwerk), die ich mir ansehen möchte. Und ein Besuch des Berliner Ensembles steht auch im Raum. Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ läuft und es gibt das Stück mit Untertiteln, damit auch Besucher*innen, die des Deutschen nicht ganz so mächtig sind, folgen können. Das würde mich schon sehr reizen; mal sehen, ob wir das zeitlich alles hinkriegen.
Natürlich verlief das mit dem Providerwechsel nicht ganz so reibungslos wie ich mir das vorstellte. Aber gut, jetzt sollte es (hoffentlich) einfach so weiterlaufen. Wenigstens habe ich nun eine ungefähre Ahnung, was auf mich zukommt, wenn ich meinen Desktop-Computer auf Linux umstelle (Erzählerstimme aus dem Off: Sie hatte keinerlei Vorstellung davon, was auf sie zukommen würde…).
Nun gut: zumindest weiß ich, dass man vorsichtig sein muss, wenn man auf andere Provider/Programme ausweichen möchte und sich nicht zu viel auf einmal vornehmen. Eigentlich würde ich ja auch gerne von WordPress weg, allerdings sind alle Alternativen nur so halbgare Lösungen und ich hätte es vorgezogen, eine richtige Webseite zu bauen und dazu vielleicht Drupal oder Typo 3 zu benutzen, mit denen ich früher schon beruflich zu tun hatte. Aber da scheint die Installation schon dermaßen kompliziert zu sein – meine Güte.
Ansonsten schreite ich bei meiner De-Amerikanisierung (ich nenne das so, ich bin schließlich hier in Kanada und die Menschen sind so richtig sauer) voran: nach Facebook und Instagram habe ich nun auch meinen Netflix-Account gekündigt. Daran hatte mich besonders gestört, dass deutsche Inhalte gegeoblockt wurden (ich wollte mir zwischendurch diese – das ist jetzt ein bisschen peinlich – bayerischen Krimis, Semmelknödeldings oder wie die heißen) noch einmal ansehen, aber die gibt es für mich nicht mehr. Die Währung, in der ich bezahlen muss, wurde aber natürlich nicht automatisch umgestellt und ich musste brav weiter Euros berappen. Und die kanadischen Inhalte sind nicht besonders interessant: In den Filmen/Serien aus Quebec wird ein anderes Französisch gesprochen und ich möchte mir das nicht antrainieren. Zudem ist die Qualität der kanadischen Filmerzeugnisse auf deutschem Niveau, also eher so mittelmäßig, was Handlung sowie schauspielerische Qualität betrifft.
Von Google loszukommen wird ziemlich schwierig, da ich zum Beispiel für Online-Meetings meistens Google Meet benutze, da es die meisten Kund*innen bereits haben. Skype macht bald dicht, WhatsApp ist ja sowieso indiskutabel. Für Zoom müsste ich selbst bezahlen und zu kleineren, unabhängigen Tools habe ich keine Erfahrungswerte. Anstatt des Google Kalenders könnte ich den von Thunderbird benutzen, das ist definitiv eine Alternative, ich müsste nur alles dorthin übertragen.
Anstatt Google Keep nutze ich jetzt zum Teil Notizzettel aus Papier – da ich die Fahrkarten für die Deutsche Bahn auf Papier ausgedruckt habe, kann ich den Notizzettel dazulegen. Die Tickets hatte ich ausgedruckt, weil ich beim Bahnfahren nicht auf mein Smartphone angewiesen sein möchte und mich das Entsperren des Handys schon nervt/zu lange dauert (ich bin nicht die geduldigste Person).
Ich weiß, das mit dem Entzug von Staatsbürgerschaften ist etwas, was sehr problematisch ist und nicht der Regelfall werden sollte. Aber vielleicht sollte man bei Elon Musk eine Ausnahme machen. In der Petition wird erwähnt, dass er sein Vermögen und seine Macht benutzt hat, Wahlen in Kanada zu beeinflussen sowie die Tatsache, dass er Teil einer Regierung ist, die die Souveränität Kanadas angreift usw.
Es gibt noch eine weitere Petition in Kanada, die mit Musk zu tun hat – nämlich, dass X von allen Regierungskanälen gelöscht werden soll – in der Petition wird auch die AfD erwähnt! Hier könnt ihr das nachlesen: Petition e-6378
Seine Substack-Seite hat Charlie Angus „Charlie Angus / The Resistance“ getauft. Sehr schön. Es ist generell sehr erfrischend, wie Charlie Angust überhaupt kein Blatt vor den Mund nimmt. Der berühmteste Song seiner ehemaligen Band L’Étranger (natürlich nach dem Roman von Albert Camus benannt), ist ein Anti-Apartheid-Stück namens „One People“. Hier schließt sich dann auch der Kreis zu Musk.