Don Alphonso beschrieb kürzlich, wie das so ist, wenn einer dieser Berliner Hungerleider nach München kommt. Wie sich die Münchner Bekanntschaft in Berlin benimmt, erlebt der Berliner jedes Jahr aufs Neue, wenn in Bayern Herbstferien sind und der Feiertag „Allerheiligen“ begangen wird, der den ach so faulen Berlinern nicht gegönnt ist.
Standesgemäß kommt der Münchner mit einer überdimensionierten Luxuskarosse seines Arbeitgebers angefahren und plant, zu viert beim Berliner unterzukommen, weil’s nix kostet. Die Absurdität dieses Unterfangens wird kurz vor Beginn der Reise klar und der Geizkragen etwas geweitet: ohne noch einmal nachzufragen, wird ein Hotel im Ortsteil Weißensee gebucht. Mitgeteilt wird das durch die Frage, ob Weißensee weit weg von der Wohnung des West-Berliners sei. Da Weißensee am östlichen Rand der Stadt liegt, was ein kurzer Blick auf den Stadtplan auch klar gemacht hätte, ist diese Wahl nicht gerade optimal. Interessiert sich der Bayer wohl gar nicht für die deutsche Hauptstadt? Warum fährt er dann dorthin? Damit er sagen kann, dass er auch da war? Kosten darf der Trip ins verhasste Berlin jedenfalls nichts, so viel ist klar. Auch wenn der zu besuchende Berliner am anderen Ende der Stadt wohnt – so eine deutsche Hauptstadt wird scho ned vui größer als Minga sei!
Bei der Ankunft wird prompt über das Berliner Wetter gemeckert – es sei zwar sonnig, aber zu kalt – München ist ja dafür bekannt, dass es Ende Oktober/Anfang November mit Temperaturen um die 30 Grad aufwarten kann. Die bayerische Bekanntschaft äußert den Wunsch, nun „in die Stadt gehen zu wollen“. Wobei der Berliner diese Äußerung nur mit einem erstaunten Blick erwidern kann – denn was soll damit gemeint sein? Der Alex vielleicht, der Ku’damm? Man weiß es nicht. Berlin war eine geteilte Stadt, schon vergessen? Mal kurz einen Abriss über Berlin gelesen und man weiß, wo man hin will und spart sich solche Dämlichkeiten.
Geschmackssicher peilt der Münchner dann Sehenswürdigkeiten wie das Legoland und die australische Restaurant-Touristenfalle am Potsdamer Platz an (ein Restaurant, das es übrigens außer in Berlin noch in Darmstadt gibt). Der Münchner mokiert sich dort darüber, dass der Berliner – seines Zeichens Veganer – dort nichts essen möchte, da er sich zwischen Krokodil und Känguru nicht so recht entscheiden kann. Die andere Essensoption ist, mit der U-Bahn fast eine ganze Stunde durch die Stadt zu jagen, um indische Restau-rants aufzusuchen, für die der Münchner Coupons hat. Weil es immer billig sein muss, denn dahoam ist bekanntlich alles sauteuer.
Dann steuert das Mutterschiff mit dem weiß-blauen-Logo die 80 Kilometer von Berlin gelegene Metropole Krausnick an, in der das „Tropical Islands“, die von asiatischen Investoren betriebene, tropische Urlaubswelt liegt – also ein Schwimmbad, aber mit Sand, Palmen und Wasserfällen. Dort wird dann sogar für die Rutschen noch extra Geld verlangt, aber was soll’s, die Therme Erding kosten schließlich fast genauso viel und Südseeflair hat’s da ned.
Aber der Münchner findet doch noch etwas Gutes an Berlin: Mit strahlenden Augen wird erzählt, welch tolle Einkaufszentren man hier hätte. Und das nach einem Besuch im Gesundbrunnencenter, einem Ort, den der Berliner wegen seiner Hässlichkeit und deprimierenden Atmosphäre eher meidet. Deshalb an dieser Stelle ein „Hut ab!“ an die Stadtplaner, die Berlin mit den immer gleichen Einkaufszentren mit den immer gleichen Geschäften vollmüllen – Ihr habt da wirklich den Geschmack der Touristen getroffen (und jetzt wissen wir, wem wir die Dinger zu verdanken haben)!
Die Bayern sind allerdings nicht die einzigen, die sich so schnöde blenden lassen: Die brasilianische Familie eines befreundeten Architekten war vor kurzem zu Besuch, und als er ihnen fachkundig die Stadt zeigen wollte, stürmten sie die Filialen einer spanischen Kleidungskette, da die Klamotten hier viel billiger als daheim sind.